Dreimal mehr als 60.000 verkaufte ÂTickets. Dazu Zehntausende, die sich vor den Stadiontoren versammeln wollten, um sich durch die räumliche Nähe zu ihrem Idol Taylor Swift zum „AbÂshaken“ inspirieren zu lassen. Was Âmachen all diese Menschen, wenn das große Ereignis plötzlich abgesagt Âwurde? Und was macht eine Stadt mit Âihnen?
Eine Antwort haben die Swifties noch am Donnerstag in der Wiener ÂInnenÂstadt gegeben. Zu Tausenden kamen die Fans des Popstars, keineswegs nur junge, auf dem und um den ÂStephansplatz zusammen, um einander Trost zu spenden. Man tauschte Freundschaftsarmbänder, nahm sich in den Arm, vor allem: Man stimmte gemeinsam die geÂläufigsten Gassenhauer der amerikaÂnischen Musikerin an.
Shows aufgrund von Terrorgefahr abgesagt
Dass die Kosten für die EintrittsÂkarten erstattet werden, hatte der österreichische Veranstalter Barracuda Music schon am späten Mittwochabend angekündigt, als die Absage der Wiener Shows wegen der Terrorgefahr über Âsoziale Medien mitgeteilt wurde. Drei Konzerte im Wiener Ernst-Happel-Stadion waren von Donnerstag bis Samstag geplant. Die Entscheidung zur Absage kam wohl letztlich vom Management der Künstlerin, wenn nicht von Swift selbst. Barracuda-Chef Ewald ÂTatar zeigte sich jedenfalls davon überzeugt, dass die Entscheidung im Sinne der ÂSicherheit der Besucher richtig Âgewesen sei.
Maßgeblich sei gewesen, dass einer der Verdächtigen als Mitarbeiter einer örtlichen Support-Firma auf dem ÂGelände gewesen sei – der 17 Jahre alte Wiener, der am Mittwochnachmittag vor dem Stadion festgenommen wurde. Während der 19 Jahre alte HauptÂverdächtige schon am frühen Morgen in seinem Elternhaus im niederösterreichischen Ternitz festgenommen worden war, wo er fertig gemischten Flüssigsprengstoff parat hatte, habe sich der mögliche Komplize den ganzen Tag bis zu seiner Festnahme an Ort und Stelle aufgehalten.
Bislang ist weiterhin geplant, dass Taylor Swift den Europateil ihrer „Eras“-Tour mit fünf ausverkauften Konzerten vom 15. bis 20. August im Londoner Wembley-Stadion abschließt. Die britische Polizei teilte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP mit, es gebe keine Hinweise darauf, dass der geplante Anschlag in Wien Auswirkungen auf diese Auftritte habe. Londons Bürgermeister Sadiq Khan sagte demnach: „Wir haben viel Erfahrung bei der Polizeibegleitung solcher Veranstaltungen.“ Man habe viel gelernt nach dem furchtbaren Anschlag in Manchester. Im Jahr 2017 hatte ein islamistischer Attentäter dort 22 Besucher eines Konzerts der amerikanischen Sängerin Ariana Grande mit einer Bombe getötet und mehr als hundert verletzt, als sie nach der Veranstaltung die Manchester Arena verließen.
Verlockende Angebote für Ticketinhaber
In Wien machten zahlreiche staatliche, städtische und private Einrichtungen Sonderangebote für enttäuschte ÂInhaber von Taylor-Swift-Tickets. Das Kunstmuseum Albertina bietet ihnen bis Sonntag kostenlosen Eintritt – „The Beauty of Diversity!“ heißt die aktuelle Ausstellung. Die Wien-Holding schreibt ebenfalls kostenlosen Eintritt in ihre Museen „als kleinen Trost für Taylor-Swift-Fans“ aus. In der DomÂgasse kann man sich über Leben und Zeit des ÂWolfgang Amadeus Mozart informieren, der vor 250 Jahren ein „Superstar“ und ein „Rockidol“ war (Copyright für diese Einschätzung: ÂFalco).
Thematisch passend wäre auch ein Besuch im Haus der Musik im Palais Erzherzog Carl. Das Museum für angewandte Kunst zeigt eine Installation mit einem Titel, der geprellte Konzertbesucher zum Grübeln bringen könnte: „Nowhere and Everywhere at the Same Time, Nr. 2“. Sowieso immer lohnend ist das Jüdische Museum.
Und wenn man schon nicht ins Stadion selbst kommen kann, dann eben ins Stadionbad. Dessen neun Becken bilden laut Eigenwerbung die größte künstliche Wasserfläche Österreichs. Oder in eines der städtischen Wiener Bäder. Sie bieten jedem Besucher mit einer Eintrittskarte für eines der abgesagten Konzerte Einlass zum KinderÂtarif. Das Strandbad Gänsehäufel mit seinen Kabinen und Pavillons im Jugendstil ist selbst für Bademuffel einen Besuch wert. Jetzt soll dort eine „Swift-Corner“ eingerichtet werden – was das sein mag, muss man selbst herausfinden. Jedenfalls dürfte das Verbot in der Badeordnung, laut Musik zu hören, Âtolerant gehandhabt werden.
Auch Lokalbetreiber haben ihr weiches Herz (und die Marketing-Chance) entdeckt. Eine Burgerkette spendiert Konzert-Nichtbesuchern ein FleischÂlaiberl, ein Café schenkt pinke „Bubbles for your troubles“ aus, in manchen Irish Pubs bekommt man ein Glas mutmaßlich schwarzen Biers, um „die Sorgen zu ertränken“. Dass Kneipen und Clubs an ihren Swift-Programmen festhalten, versteht sich von selbst. Und dann bleibt natürlich noch eine Hoffnung, die auch für die Wiener Taylor-Swift-Shows gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
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